***Zoomania***

zmania kritik
 
Autoren: Vivien Neder/Samuel Nouvas
 
Gleich und gleich gesellt sich gern. Vor allem in der freien Natur. Oder doch nicht? Man nehme ein niedliches Häschen, zivilisiere es, statte es mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, einer Polizeiuniform sowie einem möhrchenförmigen Mehrzweck-Stift aus und schaut, ob diese Aussage immer noch gilt, wenn man ihr die Zusammenarbeit mit einem Fuchs abnötigt.
 
Die Häsin Judy Hopps (Ginnifer Goodwin/Josephine Preuß) hegt seit ihrer Kindheit den Wunsch, einmal ihren ländlichen Vorort zu verlassen und in der Metropole Zoomania als Polizistin für eine bessere Welt zu kämpfen!
 
Doch so richtig zutrauen mag ihr das keiner, denn Ordnungshüter sind gemeinhin nur die großen und kräftigen Tiere wie Nashörner, Elefanten oder Löwen. Trotzdem - willensstark und optimistisch wie sie ist, meistert sie nach einigen Rückschlägen die Ausbildung, wird sogar Jahrgangsbeste und darf direkt im 1. Revier des Stadtzentrums anfangen. So verlässt sie die elterliche Karotten-Farm und folgt dem Ruf der Metropole!
 
Angekommen in Zoomania muss Judy allerdings feststellen, dass es nicht die Stadt ist, die sie sich ausgemalt hat und dass deren Motto Jeder kann alles sein!, das sie tief verinnerlicht hat, über die vorurteilsbeladene Realität hinwegtäuscht. Lautgesprächige Gazellen-Nachbarn, Gehetze, Gedränge und Ruppigkeit der Großstadt so wie ein Polizei-Chief, der sie, mangels Zutrauen in ein Nagetier ihrer Statur, zum Strafzettelausstellen verdonnert.
 
Doch als Judy mit dem Fall eines verschwundenen Otters übernimmt, wird die Sache heikel: Das Verbrechen scheint in einem größeren Zusammenhang mit undurchsichtigen Fällen von wie vom Erdboden verschluckter Tiere zu stehen. Doch um das Rätsel unter Zeitdruck zu lösen, benötigt sie die Hilfe des Trickbetrügers und Fuchs Nick Wilde (Jason Bateman), der ihr zu Anfang unfreiwillig bei Seite steht. Ob sich die beiden zum Wohle der Gemeinschaft zusammenraufen können? Auf jeden Fall verspricht die Zusammenarbeit der naiv-optimistischen Judy mit dem zynisch-großmäuligen Nick amüsante Schlagabtausche und harmlose Reibereien, die man genüsslich mit einer Tüte Popcorn in der Hand auf sich wirken lassen kann.

Disney und seine Tier-Tradition"
 
Tiere als Akteure, die denken, sprechen und handeln (und nicht selten: singen) wie Menschen haben in Disney-Filmen eine lange Tradition: angefangen mit Mickey, Donald und Co., über Bambi (1942), Dschungelbuch (1967), Oliver und Co. (1988), Arielle, die Meerjungfrau (1989) bis zum Megaerfolg König der Löwen (1994) und neueren Filmen. Schon so einiges, wenn man nochmal zusammenrafft, was da in der Jugend alles über den Bildschirm flimmerte.
 
Dass die Tiere in Zoomania zivilisiert und angezogen sind, erscheint humorvoll, ist aber nichts Neues. Spielereien mit dieser Tatsache sind allerdings witzig, wenn nämlich unser Bunny-Cop peinlich berührt ist, als sie im Zuge ihrer Nachforschungen einen Nudisten-Club besuchen muss, in dem die Tiere in ihrem Naturzustand herumlaufen und nackt Yogaübungen machen. Natürlich eignen sich die Eigenschaften der Tiere zudem für die Karikierung spezieller Berufsgruppen. So sind beispielsweise alle Beamten in der Zulassungsstelle Faultiere, die ihre Arbeit mit nervenaufreibender Langsamkeit verrichten und der furchteinflößende Mafiaboss eine Ratte, die sich im Don Corleone Stil gibt.
 
Man merkt, dass der Lieblingsfilm des Regisseurs Byron Howard (u.a. "Rapunzel - Neu Verföhnt") als Kind "Robin Hood" (1973) war: Jener ist einer der wenigen Disney-Klassiker, deren Hauptdarsteller Tiere sind, die sich menschenähnlich bewegen und angezogen sind. Übrigens ist Robin Hood selbst auch ein frecher Fuchs, so wie Nick Wilde. Die Übertragung humaner Eigenschaften auf Tiere geschieht in Zoomania in einer modernen Umgebung. Vergleicht man Zoomania mit den meisten alten Disney-Meisterwerken wie König der Löwen oder Bambi, erscheint das Verhältnis umgedreht: Dort bewegen sich die Tiere natürlich und haben nur ganz leichte menschliche Tendenzen.
 
Abendfüllende Disney-Filme wurden stets mit großem Aufwand produziert. Die Zeichner der alten Meisterwerke beobachteten Monate lang lebendige Tiere, um sie im Film möglichst naturgetreu wiederzugeben. Auch für Zoomania wurden Tiere in ihrer ursprünglichen Umgebung beobachtet, die Gesetze der Natur allerdings im Anschluss ausgehebelt, da Tiere in freier Wildbahn nur mit ihren Artgenossen echte Gemeinschaften bilden und unter sich bleiben, während in Zoomania eine funkelnde, schöne neue Welt errichtet wird.
 
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Ein visuelles Schauwerk!
 
Diese funkelnde neue Welt ist das eigentliche Meisterwerk des Teams rund um Byron Howard und Rich Moore ("Ralph Reichts", Die Simpsons). Ihr Ziel war es eine organische, komplexe Umwelt zu schaffen, die so gestaltet ist, wie sie die Tiere für sich schaffen würden, wenn sie unsere technologischen Mittel hätten. Howard erläutert: Die Architektur, das Klima - alles ist dem natürlichen Lebensraum der jeweiligen Spezies angepasst. So wird Zoomania zum Schmelztiegel, in dem verschiedenste Arten aufeinandertreffen".
 
Eine herausfordernde Aufgabe, angesichts einer Vielzahl von Tierarten die in Zoomania Platz finden sollen und dazu noch aus allen Gegenden der Erde kommen! So schaffen die Macher eine hochmoderne Großstadt, eingeteilt in sechs Distrikte, in denen vom winzigen Nager, der im Miniaturstadtteil Klein-Nageria lebt, bis zum gigantischen Elefanten alles Platz findet. Hier streifen Kamele über die Dünen des Sahara Platzes und Hamster in Anzügen wuseln durch die Bürogebäude Savanna Centrals.
 
Verhalten, Körperbau, Nahrungsbedürfnisse - alles mühsam Recherchierte über diese Tiere ließen die Grafiker mit einfließen und kombinierten es geschickt mit zeitgemäßen Elementen unserer Großstädte. Und indem sie die Überlegung akribisch und kreativ umsetzen, gelingt ihnen mit diesem 3D Computeranimationsfilm ein Schauwerk, an dem man sich gar nicht satt sehen kann! Mit spielerischer Intelligenz und sprudelndem Einfallsreichtum schaffen sie phantastische Biotope, bunt, schillernd, facettenreich. Für den Zuschauer reizvoll, der sich voll Spannung mit jedem Stadtteil und seinen Bewohnern erneut die Frage stellt: Wie lösen sie das jetzt? Doch die manchmal etwas zu rasante, geradezu nach vorne preschende Handlung, lässt einem nicht viel Zeit zum Verweilen.
 
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Seitenhiebe auf andere Meisterwerke
 
Auch erzählerisch folgen die Filmemacher dem Leitmotiv des Films, indem sie sich fragen: Wie würden die Tiere das machen? Welche Konflikte entstünden unter ihnen?
 
Dass sie sich ganz bewusst mit einem Schuss Ironie von vorherigen Filmen abgrenzen wollen, findet sich in einem schönen Satz von Polizei-Chief Bogo (im Original gesprochen von Iris Elba) wieder. So sagt er sinngemäß, um die hippelige Judy zurechtzuweisen: „Das ist hier kein Cartoon-Prinzessen-Musical, in dem du ein Liedchen trällerst und sich alle deine Träume schlagartig erfüllen!“
 
Ein Schmunzler, da ein kleiner Seitenhieb auf die Vorreiter der Disney-Parade. Und freilich liefert dieser Film keine Charaktere, die fünfjährige Mädchen dazu bewegt Youtube-Videos hochladen, in denen sie kostümiert ihre Lieblingsballaden aus Frozen nachträllern. In Zoomania sind die Charaktere auch nicht besonders anziehend oder magisch.
Die Beziehung von Judy und Nick ist konventionell, entwickelt sich etwas stolpernd und entspricht gängigen Buddy-Movie-Klischees: Eine unterschätzte, hoffnungsfrohe Außenseiterin trifft auf den Zyniker mit eigenwilligem Charme.
 
Auch muss dieser Film ohne drolligen oder verschmitzten Sidekick auskommen. Außer dem Faultier "Flash"(im Deutschen vom Komiker Rüdiger Hoffman gesprochen, von wem sonst?), Angestellter bei der Führerschein-Zulassungsstelle, der schon im Trailer amüsiert, im Film aber keine große Rolle spielt. Einmal in diese Welt eingetaucht sind die Figuren nicht sonderlich „disneykonform“, keine Charaktere, die man noch einmal unbedingt wiedersehen muss. Was der Fabel zugutekommt! Denn in diesem Film ist die Rahmenhandlung viel interessanter.
 
Eine entzaubernde aber gelungene Fabel
 
Man wünscht sich das die Geschichte ihre Wirkung bei den jüngeren Zuschauern entfaltet, denn sie ist nicht oberschulmeisterlich, sondern mit Humor, Charme und klarer Botschaft gespickt. Manch Älterem wird das sicher zu hölzern,vorhersehbar und gewollt erscheinen.
 
Doch der Film ist da gut, wo er entzaubert, wo er fertige Rollenmuster hinterfragt, wo er die Erwartungen nicht erfüllt und sich abgrenzt vom Disney-Kitsch mit seinem überbohrendem Musical-Pathos. Es ist allerdings kein Film, der sonderlich eingängig ist oder eine große Anhängerschaft finden wird.
Aber eine sehenswerte Fabel, die das Raster von Gut-und-Böse in Frage stellt, mit dem Tier-Sein spielt, eine abwechslungsreiche, Schaulust weckende Bildwelt schafft. Zudem hält die Story einige Gags bereit und bietet eine moralische Maxime, von der man nur hoffen kann, dass sie sich jedes Kind zu Herzen nimmt: Lass dich nicht von Vorurteilen leiten, sondern geh auf die Anderen zu!