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Kritik: Franz K.

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Bisher gab es kaum Versuche, das Leben und nicht das Werk Franz Kafkas filmisch aufzuarbeiten. Die polnische Regisseurin Agnieszka Holland versucht genau das mit ihrem neuen Film.
 
Ich schreibe anders als ich rede, …
 
Während der junge Franz Kafka, dessen schriftstellerische Bemühungen von seinem Vater nie goutiert werden, erste literarische Erfolge feiert, nachdem er stets von seinem Freund Max Brod ermutigt worden war, befindet er sich im Zwiespalt zwischen der zweifelsfreien Liebe zur Kunst und der möglichen Liebe zu Frauen und findet, bald krank geworden, zu keiner Entscheidung dafür aber bald den Tod.
 
„Franz K.“ der neue Film von Agnieszka Holland („Hitlerjunge Salomon“) funktioniert leider nicht richtig. Das wäre nicht so schlimm, hat doch das Objekt dieser Filmbiografie auch nie richtig funktioniert. Franz Kafka hat als Mensch nie richtig „funktioniert“ und bald Hundert Jahre nach seinem Tod streiten sich die Gelehrten über die Gründe und Hintergründe. Lag alles am unsensiblen Vater? Oder war K. heimlich homosexuell? Franz Kafka hat auch als Schriftsteller Zeit seines Lebens nie richtig „funktioniert“. Der notorische Vielschreiber, von dem eine vierstellige Anzahl an Briefen und ein Dutzend Tagebücher erhalten sind (weit größere Zahlen sind wohl verschollen), hat nur kurze Erzählungen veröffentlicht. Seine drei Romane sind Fragmente geblieben.
 
Aber Agnieszka Hollands Film funktioniert anders nicht, als etwas Kafka als Mensch nicht „funktioniert“ hat. Wo Kafka unter anderem zu sensibel, zu exakt und zu selbstkritisch war, will Hollands Film sensibel wirken und ist doch viel zu plump, unachtsam und nachlässig geraten. Kafka wird hier als Opfer gezeigt, doch wessen Opfer er gewesen sein mag, wird nie geklärt. Einen Film über einen Menschen, der zeitlebens immer sehr genau war, sowohl in seiner Arbeit als auch in seinem Leben und Erleben, zu einer wilden Mischung aus Auslassungen und Erfindungen verkommen zu lassen, wirkt nicht mehr nur ironisch, sondern einfach nur obskur.  
 
 
Dieser Film funktioniert auf andere Weise nicht, als Kafka der Schriftsteller zu Lebzeiten kaum jemals richtig „funktioniert“ hat. Mit seinem exakten Stil, bei dem kein Wort zu viel und keines jemals das falsche sein durfte, war Kafka seinen Zeitgenossen nicht nur überlegen, sondern weit voraus. Das Drehbuch von Marek Epstein (der auch schon das Buch zu Hollands „Charlatan“ geschrieben hat) verzettelt sich in Nebensächlichkeiten und Ungenauigkeiten und erzählt die Tragödie eines Träumers, statt der Leidensgeschichte eines verzweifelt Suchenden. Hollands Regie ist zu gefällig und zeigt uns Idealisierung wo sie Schmerz zeigen sollte, tröstet mit Nettigkeit wo sie uns mit Einsamkeit treffen sollte.
 
Man könnte meinen, der Film stehe unter dem Motto: „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“. Aber diesen Satz hat Kafka den Kaplan in „Der Process“ sagen lassen. Diese Figur war sowohl verwirrend als auch verwirrt geschrieben, erzählt sie dem armem K. doch von der Gesetzes-Parabel und ihren möglichen Deutungen, aber auch davon selbst keiner davon zuzustimmen. Was uns die Macher von „Franz K.“ vorsetzen ist eine romantisierte, Reader’s-Digest-Version von Kafkas Leben, die nicht nur diesem großen Geist nicht gerecht wird. Sie wird auch weite Teile des Publikums kaum erreichen.
 
Ich rede anders als ich denke, …
 
Kenner*innen werden sich vielleicht fragen, warum wir Kafka beim Rudern sehen, wenn er doch vor allem ein begeisterter Schwimmer war. Und sie werden sich etwa an der elendslangen Schilderung von Kafkas Beziehung zu Felice Bauer und der revisionistischen Version ihres Endes stoßen. Sie werden sich fragen, warum man Bauer und Milena Jesenská so viel Raum und Bedeutung einräumt, während Dora Diamant, unbestritten die wichtigsten Frau in Kafkas letztem Lebensjahr, nicht einmal am Rande erwähnt wird.
 
Filmfans, die bisher mit Kafkas Leben und Werk nicht vertraut waren, werden sich über Handlungsfäden wundern, die einfach im Sand verlaufen und über Figuren die ein- oder zweimal auftauchen und dann nie wieder in Erscheinung treten. Was soll die Szene im jüdischen Theater, wenn sie nirgendwohin führt? Warum darf eine Figur direkt in die Kamera zum Publikum sprechen, die dann in der Handlung kaum eine Rolle spielt? Warum muss das Schicksal einer Schwester im Dritten Reich gezeigt werden, wenn die betreffende Szene dann wie ein nachträglicher Einfall wirkt und rein gar nichts zum Verständnis der Hauptfigur beiträgt.
 
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Gerade dem Teil des Publikums, der von und über Kafka bisher wenig wusste, tut dieser Film keinen Gefallen. Dass solche Filmfans nach diesem Film ein Interesse an Kafkas Werk und Leben entwickeln, ist nicht zu erwarten. Sie können sich an den teilweise wirklich guten darstellerischen Leistungen erfreuen. Davon abgesehen hat dieser Film für sie nur wenig zu bieten.
 
Der junge, noch unbekannte deutsche Darsteller Idan Weiss spielt Kafka als meistens überforderten und verwirrten jungen Künstler, der „sich entschied als Opfer Erfolg zu haben“. Dabei wirkt seine Darstellung nahbar und effizient. Leider wird diese Darstellung aber dem realen Vorbild oder auch nur seinem Geist kaum gerecht.
 
Die Tschechin Jenovéfa Boková füllt den Film mit etwas Leben, von dem er sehr viel mehr gebraucht hätte. Peter Kurth („Nebenan“) spielt Kafkas Vater mit der ganzen despotischen Selbstgerechtigkeit einer Autoritätsperson in der alten Donaumonarchie. Carole Schuler stellt Felice Bauer vor allem ahnungslos dar. Andere Darsteller*innen wie Sebastian Schwartz als Max Brod oder Aaron Friesz als Oskar Baum agieren wie in einem Dokudrama gefangen.
 
Fazit
 
Das Leben Franz Kafkas filmisch aufzuarbeiten, ist sicher ein schwieriges Unterfangen. Agnieszka Hollands Film ist daran leider weitgehend gescheitert.
 
 
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